Was ist chronischer Schmerz?
Wer auf eine heiße Herdplatte fasst, zuckt sofort reflexartig zurück, denn Schmerz signalisiert Gefahr. Im Laufe der Evolution haben wir den Mechanismus Schmerz entwickelt, um gefährliche Situationen sofort zu erkennen – unser Körper reagiert mit Kampf oder Flucht. Dieses „Alarmsystem“ des Organismus ist angeboren und unterschiedlich ausgeprägt. Das kann auch gemessen werden: Verschiedene Menschen reagieren auf denselben Schmerzreiz mit unterschiedlicher Intensität.
Schmerz kann seine Warnfunktion verlieren und dauerhaft anhalten – der Schmerz wird chronisch.
Wenn der Schmerz jedoch seine Warnfunktion verliert und dauerhaft anhält, spricht man von chronischem Schmerz. Chronischer Schmerz ist eine eigenständige Erkrankung. Das schmerzverarbeitende System des Körpers verändert sich derart, dass es selbst Schmerzsignale erzeugt. Das heißt aber nicht, dass sich Betroffene diesen Schmerz nur einbilden, denn der Schmerz wird durch Veränderungen auf neuronaler Ebene ausgelöst. Diese Veränderungen werden als „Schmerzgedächtnis“ bezeichnet.
Die Unterscheidung zwischen akutem und chronischem Schmerz ist nicht immer eindeutig. Generell wird ein Schmerz als chronisch eingestuft, wenn er seit drei Monaten anhält und/oder die normale Schmerzdauer einer Erkrankung deutlich übersteigt. In Deutschland leiden zwischen acht und fünfzehn Millionen Menschen an chronischen Schmerzen. Die häufigsten Formen chronischer Schmerzen sind Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Migräne, Gelenkschmerzen sowie das Fibromyalgiesyndrom.
Wie entsteht chronischer Schmerz?
Unser Nervensystem verarbeitet Schmerz auf komplexe Art und Weise. Vereinfacht dargestellt, löst ein Schmerzreiz – also beispielsweise eine Entzündung durch einen Sonnenbrand – eine Aktivierung schmerzleitender Nervenfasern aus. Diese Schmerzsignale werden in das Rückenmark gesendet. Dort erfolgt eine Analyse der Daten. Wird eine bestimmte Reizschwelle überschritten, werden diese Signale an das Gehirn weitergeleitet.
Bevor chronischer Schmerz entsteht, liegt immer ein akuter Schmerz zugrunde. Wenn dieser lange – zu lange – andauert, kann es durch Lernprozesse der betroffenen Nerven zu dauerhaften Veränderungen des Systems der Schmerzleitung und ‑verarbeitung kommen.
Schmerz kann nicht nur durch organische Ursachen entstehen – er kann auch Ausdruck seelischer Belastungen oder einer psychiatrischen Erkrankung sein.
Körper und Seele gehören zusammen und können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. So ist der Rücken beispielsweise auch ein „Tummelplatz der Seele“. Deswegen können sich seelische Belastungen in einer – mitunter dauerhaften – Senkung der Schmerzschwelle auswirken, durch die Rückenschmerzen entstehen. Andererseits kann ein dauerhafter Schmerz die Seele verändern und zu Depressionen führen.
Wenn Schmerz als Ausdruck einer psychiatrischen Erkrankung auftritt, sind Mechanismen im Gehirn dauerhaft gestört. Häufig sind es dann die Schmerzen, die die Betroffenen zu einem Arztbesuch bewegen.
Auswirkungen auf das ganze Leben
Chronische Schmerzen führen meist zu einer anhaltenden und messbaren Senkung der Schmerzschwelle – der Punkt, ab dem ein Reiz als Schmerz wahrgenommen wird, setzt dadurch bereits früher ein. Chronischer Schmerz ist für Betroffene wie eine Dauerfolter und kann deswegen auch zu Persönlichkeitsveränderungen und Auswirkungen auf alle Lebensbereiche führen. Dadurch sinkt die Lebensqualität der Betroffenen spürbar.
Die Folgen von chronischem Schmerz sind vielfältig und können weit reichen. Chronischer Schmerz kann die Schlafqualität negativ beeinflussen oder gar den Schlaf rauben, die Leistungsfähigkeit einschränken, einen Grad der Behinderung und eine Frühberentung nach sich ziehen. Die gefühlte Ausweglosigkeit aus dem Schmerz kann die Partnerschaft belasten oder in die Einsamkeit führen, wenn Menschen sich zurückziehen, nicht mehr an Aktivitäten von Familie und Freunden teilhaben und ihre Hobbys aufgeben. Nicht selten entwickeln Menschen mit chronischen Schmerzen Depressionen.
Behandlung von chronischem Schmerz
Gerade weil chronische Schmerzen sowohl körperliche als auch seelische Komponenten haben, wendet sich die sogenannte multimodale Schmerztherapie beiden Aspekten zu.
Es werden individuelle Behandlungskonzepte für den einzelnen Patienten entwickelt und bedürfnisgerecht angepasst. Nichtmedikamentöse Therapieverfahren ergänzen medikamentöse Behandlungsansätze, die den Betroffenen vor allem eine Unterstützung in der Bewältigung ihres Alltags bieten sollen. Ob für den jeweiligen Patienten eine Bedarfsmedikation ausreichend oder eine Dauermedikation mit Schmerzmitteln angezeigt ist, welche begleitenden physio‑ und psychotherapeutischen Maßnahmen empfehlenswert sind und ob eine ambulante oder stationäre Behandlung erfolgen sollte, ist immer eine Einzelfallentscheidung.
Wichtiges Therapieziel ist mehr Freude an der Bewegung und an regelmäßiger körperlicher Aktivität, um so die Mobilität zu erhalten und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Wann sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen?
Wer andauernde Schmerzen hat, sollte zum Arzt gehen.
Wenn Schmerzen andauern und den Alltag beeinträchtigen, sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen.
Als Erstes empfiehlt sich der Besuch beim Hausarzt. Dieser wird gemeinsam mit dem Patienten besprechen, ob weiterführende Hilfen und eine Behandlung durch einen spezialisierten Schmerztherapeuten sinnvoll und notwendig sind.
Schmerzmedizin Berlin stellt die Versorgung von Schmerzpatienten in Berlin sicher.
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